Groundhog Day: Morgens aufstehen, Kaffee machen für die Arbeit, dann ab in die Dusche – alles möglichst produktiv. 8 Stunden Arbeiten, dann sich nebenbei fortbilden, die Beziehung aufrechterhalten, nach potenziellen Studienplätzen Ausschau halten, ins Fitnessstudio gehen und ständig in der Selbstoptimierung leben. Ein Alltag, den viele so oder so ähnlich erleben. Neben diesen ganzen Verpflichtungen spielen im 21. Jahrhundert laut der Webseite evz.de 2,7 Gamerinnen und Gamer aus aller Welt Videospiele und hängen somit am Bildschirm fest. Ist diese Zeit sinnlos investiert und verzocken sich die Gamer ihre kostbare Lebenszeit oder gibt es einen tieferen Nutzen dahinter?
Die Menschen, nicht nur Kinder, besitzen einen Spieltrieb, das war schon immer so und ist so tief in uns verankert, wie andere natürliche Bedürfnisse auch. Dies liegt daran, dass wir Menschen einen Ausgleich zum Alltag suchen, neben den obligatorischen Dingen, die wir erledigen müssen oder auch einfach daran, dass es Spaß macht, ohne dass es auf den ersten Blick einen tieferen Sinn haben muss. Ganz gleich, ob beispielsweise das Senet aus Ägypten, was als eines der ältesten Brettspiele der Welt gilt oder die legendäre Geschichte über Schach, was dem chinesischen Kaiser so gut gefiel, dass er dem Erfinder einen Wunsch erfüllen wollte, dieser sich dann immer die doppelte Menge Reiskorn pro Kachel wünschte, was bescheiden klingt. Jeder, der weiß, was exponentielles Wachstum ist, der weiß auch, dass die Menge bei 922 Trilliarden Reiskörnern liegt. Ein schon an sich komplexes Spiel findet also auch Anwendung in der Mathematik, ganz unabhängig davon, ob dieser Mythos stimmt oder nicht. Durch solche Geschichten finden Schüler und Menschen Gefallen an komplexen mathematischen Sachverhalten und das Spiel bringt einen Mehrwert mit sich. Dieser Spaß am Spielen erfüllt uns Menschen und lehrt uns nicht nur Dinge wie logisches Denken in Schach oder RTS-Games wie Command & Conquer sowie Starcraft, sondern sie stählern auch unseren Ehrgeiz und bringen Spaß mit sich. Spiele wie League of Legends und Co. bringen sogar Menschen zusammen in Teams und stärken das soziale Miteinander.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer ist ein ziemlicher Hardliner und behauptet Computer würden mehr Schaden anrichten, als es Nutzen bringt und verbietet sogar den eigenen Kindern einen Fernseher zu haben. Er hat ein Buch über „Digitale Demenz“ geschrieben und hat erörtert, dass durch die ständige Möglichkeit Zugang bestimmte Dinge über die Suchmaschine Google zu finden uns davon abhält Sachverhalte und Wissen im eigenen Gedächtnis abrufbereit zu halten, denn man outsourced sozusagen sein Gehirn in die Server von Alphabet. Wir haben uns durch die Technik zu sehr daran gewöhnt uns Dinge nicht mehr zwingend merken zu müssen, da man das im Prinzip nicht mehr braucht, weil die Rechenpower von den Rechengiganten uns schon die Antwort liefern, bevor wir unsere grauen Hirnzellen miteinander erneut verknüpfen und neue synaptische Pfade entstehen. „Die Mitternachtsformel, die Eroberung von Amerika oder die Hauptstadt von China? Warte mal, ich google kurz nach, was die Antwort darauf ist“ – und man vergisst es spätestens nach einem Tag auch wieder. Technik ist nun eben Fluch und Segen und bei der wachsenden Menge an Informationen ist es heutzutage kaum noch möglich, sich alles zu merken. Die Forderungen steigen nicht nur im Job sondern auch privat und der Mensch muss heute kognitiv viel mehr im Schnitt leisten, um dann im Fitnessstudio seine Work-Life Balance zu finden und den heutigen allgemeinen Anforderungen gerecht zu werden.
Freizeit dürfte demnach so wichtig sein, wie schon lange nicht mehr. Ja, es ist wahr, wir haben durch den ganzen technologischen Errungenschaften unseren Verstand zum Teil in der Cloud gespeichert, aber im Schnitt leistet der Mensch auch immer mehr auf verschiedenen Ebenen – und das alles gleichzeitig. „Citius, Altius, Fortius“, wie Lateiner sagen würden („Höher, Weiter, Schneller“). Der Mensch hat jedoch schon immer Dinge gemacht, die „keinen“ Nutzen gebracht haben oder tendenziell sinnlos waren und nach Dingen gesucht die hedonistischer Natur waren. Das liegt daran, weil wir auch mal unsere Batterie aufladen müssen und das mit Dingen, die für manche Leute erstmal sinnlos erscheinen. Dann hat man eben damals nicht gemeinsam mit Freunden an der PlayStation 2 Tekken gespielt, stattdessen ist man in die Bar gegangen und hat sich beschwipst mit seinen besten Freunden oder man schaut beim fernsehen einfach Fußball alleine oder mit Kumpels. Im Mittelalter gab es den Rausch ja auch schon vor Videospielen und Konsorten, da hat man sich auch schon mal öfters einfach so geprügelt. Was sinnvoll ist und was nicht, lässt sich demnach nicht eindeutig definieren, denn wenn es unsere Lebensqualität erhöht mit unseren Liebsten eine schöne Zeit zu verbringen, ist es nicht das, was unser Leben dann ausmacht, dass wir glücklich sind?
Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, dann kommt es nicht darauf an, wie viel Zeit wir damit verbracht haben, es anderen recht zu machen, wenn wir es am Ende nicht für uns selbst getan haben. Selbstverständlich ist Bildung und sich im Leben weiterentwickeln durch Fortbildungen oder durch ein Studium wahnsinnig wichtig und das dürfte jeden vernünftigen Menschen klar sein, denn wer rastet, der rostet. In unserer freien Zeit sollten wir dennoch die Dinge tun, die wir aus Leidenschaft machen, da dies Bestandteil unserer Persönlichkeit ist und alles was uns gut tut, das kann eben nur sinnvoll sein oder zumindest ist es nicht falsch. Das bedeutet, wenn wir gerne Gaming betreiben und es uns glücklich macht, ohne, dass wir unsere Pflichten vergessen und unsere Existenz sichern, dann spricht nichts dagegen. Im Gegenteil, jeder Moment in unserer freien Zeit, in der wir tun könnten, was wir wollten, es aber nicht tun, ist verlorene Lebenszeit und diese Zeit hat man irgendwann nicht mehr. Dann heißt es Game Over und es ist zu spät und ich denke, dass jedem bewusst ist, dass es sinnfrei ist auf diesen Moment zu warten.