Unser alltägliches soziales, studentisches & berufliches Leben in der Öffentlichkeit wurde seit März 2020 aufgrund des Coronavirus massiv heruntergefahren. Einschränkungen im sozialen Leben, Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel haben Einzug in den Alltag vieler Menschen genommen. Österreich hat unter der Führung von Kanzler Sebastian Kurz zügig reagiert und das System präventiv mit den zuvor genannten Mitteln und Maßnahmen schnell heruntergefahren, um mögliche Schäden an Bürgerinnen und Bürger der Risikogruppe zu vermeiden oder gar zu umgehen. Doch die kritischen Stimmen gegen diese Maßnahmen werden immer lauter. So hat Herr Herbert Kickl (FPÖ) den österreichischen Kanzler scharf kritisiert, man solle nach Schweden schauen, da dort das System normal weitergeführt werde und das Gesundheitssystem nicht überlastet sei. Auch die Wirtschaft erlitt keine Langzeitschäden im Gegensatz zu Österreich und vielen anderen Ländern in Europa, die das komplette wirtschaftliche Shutdown veranlasst haben. Wenn es nach dem FPÖ Politiker ginge, solle man sich daher ein Vorbild an Schweden nehmen und die Wirtschaft sowie das alltägliche Leben wieder in normalen Betrieb nehmen. Viele Menschen stellen sich daher zurecht die Frage, ob ihre Politiker und der Staat das System wieder wie vor der Coronakrise hochfahren sollten und Schweden ein Vorbild ist.

Es muss zuerst betrachtet werden, wie groß Schweden im Vergleich zu Österreich ist und wie die Population im Verhältnis zur Fläche steht. Die Bevölkerungsdichte ist nämlich ein nicht zu unterschätzender und wichtiger Indikator, denn es ist jedem klar, wenn mehr Menschen auf engeren Raum zusammenleben, dann ist die Ansteckungsgefahr sowie die Verbreitung des Virus viel wahrscheinlicher, da dadurch mehr Interaktionen unter Menschen stattfinden. Wenn man sich die Fläche von Schweden in Relation zu Österreich ansieht, dann ist diese mit 450.295km² etwa 5,4x mal größer. Die Österreicherinnen und Österreicher müssen sich mit 83.879km² zufrieden geben. Auch die zuvor genannte Bevölkerungsdichte spielt wie bereits erwähnt eine wichtige Rolle. Die Population der Republik Österreich lebt mit 106 Einwohnern pro KM² auf engeren Raum zusammen, als die zu vergleichende Nation mit 25 Bürgerinnen und Bürger pro KM². Das engere Zusammenleben in Österreich erhöht demnach das Risiko sich mit COVID-19 zu infizieren um den Faktor 4,24 (Bevölkerungsdichte).

Nun könnte man sagen, dass der Raum in dem die Menschen zusammenleben nicht aussagekräftig für die Verbreitung des Virus ist, denn in Amerika leben pro KM² gerade mal zehn mehr Menschen, als zum Vergleichsland und es sterben trotzdem mehr an Covid-19.  Bei genauerer Betrachtung ist es aber wohl für jeden einleuchtend, dass die Dichte in der Menschen zusammenleben auch davon abhängig ist, wie viele große Städte ein Land beherbergt und die Zahl der Bevölkerungsdichte für größere Städte deutlich höher ist und vom allgemeinen Durchschnitt variiert. So hat Schweden lediglich eine Metropole, die über 1 Mio. Einwohner zählt. In Amerika gibt es jedoch viel mehr Metropolen – New York, Chicago und Los Angeles, um ein paar aufzuzählen. Demnach ist es einleuchtend, dass mehr Metropolen. ebenfalls ein erhöhtes Risiko mitbringt, sich mit dem Virus anzustecken.

Der Gedanke, ob Ansteckung durch näheren Kontakt zwischen Menschen wirklich ein bedeutsamer Indikator ist, muss mathematisch weiter fortgeführt und betrachtet werden. Es ist klar und wichtig zu erwähnen, dass mathematische Modelle immer kritisch hinterfragt werden müssen, da diese nur abstrakte Richtwerte für die Realität wiedergeben und nicht das reale Leben im Ganzen darstellen. Dennoch sind sie ein guter roter Faden, um mögliche Gefahren und Verläufe zu prognostizieren und ein sinnvolles wissenschaftliches Werkzeug zur Prävention. Die FAZ berichtet, man stecke etwa zwischen 2 – 4,5 Mitmenschen als Infizierter an. Dies stünde außerdem im Zusammenhang mit der exponentiellen Verbreitung des Virus. Betrachten wir die Daten der Bevölkerungsdichte und rechnen dabei, dass nur 10%  pro KM² infiziert sind, ergeben sich für Österreich und Schweden folgende Werte:

Österreich: (106*0,10)*2 oder *4 = 21,2 oder 42,4  Neu-infizierte pro KM²

Schweden: (25*0,10)*2 oder *4   = 5 oder 10 Neu-infizierte pro KM²

Es lässt sich erkennen, dass bei einem Reproduktionsfaktor von Zwei oder Vier in Österreich jeweils 16 bzw. 32 Menschen mehr pro Quadratkilometer infiziert werden, als in Schweden.

Genauere mathematische Modelle werden von Virologen und Mathematikern aufgestellt, um eine möglichst realistische Situation abzubilden. Das Robert Koch Institut stellt eine PDF-Datei mit Erläuterung zur Verfügung und wird regelmäßig aktualisiert

Ein häufiges Argument, das man fälschlicherweise häufig hört ist, dass das Virus nicht tödlicher als die Grippe sei. Dies ist aber eine Fehleinschätzung und unterliegt einem Logikfehler. Viele vergleichen beide Viren und die daraus resultierenden Todesfälle fälschlicherweise, weil die veröffentlichten Zahlen in beiden Fällen unterschiedlich erschlossen, protokolliert und veröffentlicht werden. So zitiert beispielsweise die Pharmazeutische Zeitung, dass die Todesfälle durch Grippe lediglich Schätzungen sind, doch die Verstorbenen durch COVID-19 werden im Labor genau beziehungsweise genauer untersucht und anschließend bestätigt, ob der Tod tatsächlich resultierend durch den Coronavirus erfolgt ist. Demzufolge darf man nur tatsächlich bestätigte Todesfälle der Influenza, mit bestätigten Todesfällen durch den Coronavirus vergleichen. Eine Schätzung mit tatsächlich nachgewiesenen Toden zu vergleichen ist also Nonsens und nicht wissenschaftlich haltbar.

Wer Zahlen und Fakten nicht glauben möchten, weil eine große Skepsis herrscht, der sollte am besten nach Amerika, Brasilien, Spanien oder Italien schauen. Es lassen sich viele Bilder von Massengräbern finden, die man sonst nur noch von der Spanischen Grippe oder aus Kriegen kennt. Dies ist bei Grippewellen, bei denen Menschen auch sterben, in den Ländern nicht der Fall und zeigt eine eindeutige Überforderung des Gesundheitssystem sowie die tatsächliche Gefahr, die durch diesen Virus entstehen kann. Im Vergleich zu den gewohnten Krankheiten, hat das Coronavirus also einen erheblicheren Einfluss auf unser Gesundheitssystem und trägt zu mehr Todesfällen bei.

Es lässt sich hiermit eindeutig erkennen, dass COVID-19 ein nicht zu unterschätzendes Virus ist. Die Maßnahmen, die unter Kanzler Kurz ausgeführt wurden, sind sinnvoll, angemessen und lebensrettend, sofern korrekt und rechtzeitig ausgeführt. Kickls Sichtweise dagegen ist gegenstandslos, da diese auf eine subjektive Meinung basiert und wissenschaftliche Fakten unter einem schlichten Bauchgefühl stellt, was nicht zu einem konstruktiven sowie positiven Allgemeinzustand für Menschen der Risikogruppen führt. Es mag eine mehr oder weniger geschickte Rhetorik seitens des FPÖ-Politikers sein, Menschen aufzuwühlen, um neue Wähler zu generieren und für sich und seine Partei zu gewinnen, jedoch vergleicht er hier völlig irrational zwei verschiedene Systeme, die nicht verglichen gehören, weil sie verschieden funktionieren und eine diverse Bevölkerungsdichte haben. Die Herdenimmunität in Schweden ist mittlerweile sogar gescheitert und die Todesfallzahl nähert sich der von Italien. Ein Vorbild kann dieses Land also auf keinen Fall sein.

Es muss jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass wir wissenschaftlichen Fakten Vorrang geben müssen, als einer Plattitüde von irgendeinem Politiker, die gänzlich inhaltslos ist und auf Emotionen basiert. Das gilt nicht nur für rechte und linke Politiker, das muss allgemein geltend für jeden Politiker aus jeder Partei gemacht werden und auch für den netten Stammtisch-Kandidaten von nebenan, der halbgare Parolen raushaut, die mit der Realität wenig zu tun haben. Jeder hat das Recht zu sagen, was er denkt, ebenso hat allerdings auch jeder das Recht zu sagen, wenn etwas inkorrekt ist und ihn oder sie daraufhin zu berichtigen. Das ist und bleibt in unserer Demokratie ein wesentlicher Bestandteil, den jedes Lager verkraften muss, wenn es mal eben falsch liegt.

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